Die Spinnerei Evans Siebenhöfen (Zeichnung Paul Evans)
Die Spinnerei Evans Siebenhöfen (Zeichnung Paul Evans)

Die historische Wertschätzung der Spinnmühle Evans in Siebenhöfen bei Geyer liegt nicht nur in ihrer ehemals herausragenden Architektur begründet, sondern auch in ihrem Gründer selbst. 
Evan Evans kommt 1801 als Maschinenbauer  aus Manchester auf Einladung der Fabrikanten Bernhard nach Harthau in Sachsen. Er kann als Mitgründer des deutschen Fabrikwesens angesehen werden.

In Harthau bringt er noch im selben Jahr die ersten Mulespinnmaschinen in Funktion und etabliert sich in der Folge als Spezialist des Textilmaschinenbaues und der Fabrikplanung. Nach Differenzen mit den Gebrüdern Bernhard verlässt er als Maschinenbauer 1806 die Spinnerei in Harthau und riskiert den Weg zur Selbstständigkeit. Über Dittersdorf kommt er schließlich 1809 nach Geyer, wo er in einem alten Eisenhammer seine Maschinenbauwerkstatt einrichtet. Evans beliefert fast alle Spinnmühlen jener Jahre mit der nötigen Maschinentechnik und berät die Baumeister bei der nötigen Antriebstechnik sowie den Fertigungsprozessen innerhalb des Bauwerkes. Da er einer von wenigen seines Faches ist und gleichzeitig die Mulegarnspinnerei in Sachsen erstmalig stark floriert, wächst seine Maschinenbauanstalt in Geyer und gelangt an Kapazitätsgrenzen. 

Die Spinnerei Evans im Winter 1896 (Fotograf unbekannt)
Die Spinnerei Evans im Winter 1896 (Fotograf unbekannt)

Ab dem Jahr 1808 entstehen überall in Sachsen, begünstigt durch die napoleonische Kontinentalsperre, neue Spinnmühlen. Die Mulegarnspinnerei rentiert sich aufgrund der hohen Nachfrage und so fasst auch Evan Evans den Entschluss, eine eigene Spinnmühle zu betreiben. Dazu kauft er in Siebenhöfen, vor den Toren von Geyer, das Grundstück eines ehemaligen Pochwerkes und beauftragt den bekannten Baumeister Johann Traugott Lohse für ihn auf diesem Areal eine Spinnmühle zu errichten. Das Gebäude solle dabei neben der Spinnerei zur eigentlichen Garnfertigung auch eine Wohnung für Evan Evans sowie seine Maschinenbauwerkstatt beherbergen. Lohse entwirft ein Bauwerk mit T-förmigen Grundriss und 5 Vollgeschossen sowie 3 Dachgeschossen. Wie bereits in Lugau und Erfenschlag II werden die Gebäudeecken durch Kolossalsäulen betont. Das Dach wird als Kielbogendach ausgeführt und erhält einen Uhrenturm auf dem First. Die Grundsteinlegung für die Spinnmühle erfolgt 1812. In der Folge verzögert sich der Bau allerdings, die Kontinentalsperre wird aufgelöst und der Mulegarnmarkt in Sachsen bricht ein. Die Nachfrage nach neuen Spinnmaschinen geht stark zurück und Evan Evans gerät in finanzielle Schwierigkeiten. So muss Evans das Gebäude an seine Frau Lowry überschreiben, welche erst nach einer Kreditaufnahme den Bau fortsetzen kann. 1815 ist das Bauwerk nach 3 Jahren Bauzeit abgeschlossen und kann bezogen werden. 

Brand der Spinnerei im Jahre 1896 (Fotograf unbekannt)
Brand der Spinnerei im Jahre 1896 (Fotograf unbekannt)

Die Produktion beginnt Evans mit 30 Angestellten, bis in die 1820er sollte diese Zahl auf 130 anwachsen. Die Mulespinnerei erholt sich und so kommt auch das Geschäft von Evan Evans wieder in die schwarzen Zahlen.

Nachdem 1844 Evans in hohen Ehren in Geyer stirbt, übernimmt sein Sohn Eli Evans die Spinnerei und führt diese bis 1863 weiter. Die Größe und die fortschreitende Technologie macht die Spinnerei allerdings in den 1860er Jahren immer mehr unwirtschaftlich und so beschließt Eli Evans diese aufzulösen und das Gebäude zu veräußern. 1878 verkauft er es an den Fabrikanten Karl F. Fichtner. Jener verkauft es weiter an Friedrich H. Kämpf, welcher im Gebäude eine Holzschleiferei und Pappfabrik einrichtet. 
Im Jahr 1896 kommt es in einem Nebengebäude zu einem Brand, welcher sich auf das Spinnereigebäude ausbreitet und enorme Schäden verursacht. Das Gebäude muss in der Folge zurück gebaut werden. Das Kielbogendach wird abgetragen und der T-förmige Grundriss auf einen rechteckigen Grundriss reduziert. Aus dem Abbruchmaterial wird die nebenstehende Kämpf'sche Villa errichtet. 

Zustand des Gebäudes im Jahre 2017 (Foto: Sebastian Dämmler)
Zustand des Gebäudes im Jahre 2017 (Foto: Sebastian Dämmler)

In der Folge wechselt die Nutzung des Gebäudes auf verschiedenste Arten. Nach der Enteignung das Grundstückes in den 1940er Jahren wird es an den VEB OPEW angegliedert und zum Lagerhaus umfunktioniert. In den 1970er Jahren erfolgt der Anbau eines zweiten Treppenhauses mit Lastenaufzug sowie einer vorgelagerten Laderampe. Mit der Abwicklung des VEB OPEW im Jahre 1990 verliert die Spinnerei ihre letzte Nutzung. Seit diesem Zeitpunkt ist das Gebäude ungenutzt und von einem zunehmenden Verfall geprägt. Eines der bedeutendsten Industriegebäude in Sachsen blickt in eine ungewisse Zukunft.


Kielbogendach:

 

Das originale Dach aus dem Jahr 1815 zeugt von der einzigartigen Architektursprache des Baumeister Johann T. Lohse im Siedepunkt seiner Schaffenskraft. Es wurde einst ausgeführt als 3 bis 4-stöckiges Kielbogendach, eine Dachkonstruktion, welche handwerklich in die Meisterklasse des Holzbaus gehört und in der Denkmallandschaft in den ehemaligen Dimensionen hohe Seltenheit aufweist.

 

Kolossalsäulen:

 

Das besondere architektonische Stilmittel aus der Hand des Baumeisters an den von ihm geschaffenen Spinnmühlen ab 1808 sind mächtige Kolossalsäulen aus Bruchsteinmauerwerk an den Gebäudeecken. Die Evans-Fabrik gehört zu den letzten beiden erhalten Spinnmühlen mit dieser architektonischer Gestaltung, wovon beide Vertreter vom Verfall bedroht sind.

 

Originale Bauelemente:

 

Trotz einer starken baulichen Veränderung durch einen gezielten Um- und Rückbau nach dem Brand 1896 sind am Baukörper noch originale Bauelemente zu finden. So existieren noch originale Fenster- und Türrahmen aus der Gründungszeit, die erhaltenen Wasserbauwerke, eine Francis-Turbine aus den 1890er Jahren sowie Kraftführungselemente im Inneren des Gebäudes. Inwieweit Zwischendecken und auftretende Wandgestaltungen auf die Gründung des Bauwerkes zurück zuführen sind, gilt es zu untersuchen.

 

Gebäudedimension:

 

Mit 5 Vollgeschossen des Baukörpers, 3-4 Geschossen (die Quellen variieren) Kielbogendachstuhl und einem Glockenturm von ca. 2 Geschosshöhen kann die Spinnerei E. Evans im Jahr 1815 mit insgesamt ca. 11 Geschossen in Kombination mit der Geschossfläche als größtes Fabrikgebäude dieser Zeit in Mitteleuropa angesehen werden. Der besondere T-Grundriss des Bauwerkes erlaubte eine technische Harmonie zwischen einer geringen Bauwerktiefe für maximales Naturlicht in den Arbeitssälen und einer maximalen Nutzfläche in den Geschossen. Die vertikale Architektursprache und das gewölbte Dach der Baumwollspinnerei verleiht ihr dabei bei Wanderern jener Zeit den Beinamen „Frauenkirche“.



Siebenhöfen b. Geyer/Erz.

Geyerische Straße 33

50°36'56.8"N 12°55'48.1"E    

Bauwerkssituation 2017 (Quelle: Google Earth)
Bauwerkssituation 2017 (Quelle: Google Earth)

Eine Revitalisierung des einzigartigen Gebäudeensembles ist aufgrund der strukturellen Lage und des Zustandes sowie Größe des Spinnereibauwerkes nur als Mischnutzung denkbar.  Für eine derartige Nutzungsvielfalt am Stadtrand von Geyer sind unterschiedlichste Szenarien möglich. Eine tiefgründige Erarbeitung und weitere Konzepte können durch eine Bedarfsanalyse ermittelt werden.

Folgende Nutzungen sind bisher am Standort denkbar:

 

 

Nutzung A:  Mischnutzung mit Schwerpunkt Museum

 

Nutzung B:  Mischnutzung mit Schwerpunkt Kinder & Kinderbetreuung

 

Nutzung C:  Mischnutzung mit Schwerpunkt Altenpflege & Gesundheitszentrum

 

Nutzung D:  Mischnutzung mit Schwerpunkt Seminar- & Bildungszentrum

 

Nutzung E:  Mischnutzung mit Schwerpunkt Evans & Technologietransfer

 

Nutzung F:  Mischnutzung mit Schwerpunkt „Co-Workingspace“ – Digitales Arbeiten in ländlicher Region

 

Nutzung G:  Mischnutzung mit Schwerpunkt Tourismuszentrum der Erholungsregion Mittleres Erzgebirge

 

Nutzung G:  Mischnutzung aus verschiedensten Nutzungsvarianten

 

Weitere Ideen durch einen offenen Prozess mit Bürgerbeteiligung.

 

Die Evans-Fabrik hat eine außerordentliche Bedeutung für die Geschichte des Freistaates Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland. Aus dieser Basis soll es im Interesse aller liegen, für dieses einzigartige Bauwerke eine Zukunft zu erarbeiten, als Brücke zwischen der Wurzel unserer modernen Gesellschaft und einer innovationsstarken Zukunft.


Ziele:

  - bauliche Sicherung des Baukörpers

            - Erhalt der Fabrik

                * Entwicklung des Gebäudeensembles  zu einem tragfähigen

Konzept für die Nutzung eines besonders bedeutenden deutschen     Kulturdenkmales

              * Aufklärung und Vermittlung für die Werte der Bauwerke der

              sächsischen Frühindustrialisierung und dem Wirken

              Evan Evans

              * Entwicklungsvorreiter im Umgang mit historischer Substanz

              der sächsischen Industriegeschichte für die sächsische

    Landesausstellung 2020 in Zwickau

 

Strategie:

 

          Schließt man die Rettungsvariante durch einen großen Investor

aus, so ist ein derartiges Gebäude in dem vorhandenen baulichen Zustand nur durch ein gemeinsames Vorgehen aller Institutionen und Akteure zu meistern. In diesem Fall müssen Gemeinde, Freistaat, Denkmalpflege, Hochschulen, Ehrenamtliche und regionale Unternehmen einen gemeinsamen Weg finden, um die Evans-Fabrik in die Zukunft zu führen. Jeder Akteur kann dabei im Rahmen seiner Möglichkeiten ein entscheidendes Puzzleteil beitragen. Die Interessengemeinschaft möchte eine Vernetzungsplattform für alle Akteure bilden. 

Industrie.Kultur.Ost

ist Teil der

Interessengemeinschaft

Rettung Evans-Fabrik Siebenhöfen


Bei weiteren Fragen und Anregungen nutzen Sie

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Autor: B.Eng. Sebastian Dämmler/ 2018

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