Über das erste Technologiesegment der Wasserbauwerke wird der Wasserstrom über die Wasserkraftmaschine geleitet. Dieser Energietransformator wandelt die kinetische Energie des Wassers in eine Rotationsenergie um, und treibt damit ein innerbetriebliches Wellensystem an. In der Ära der Spinnmühlen wurden ausschließlich Wasserräder als Energietransformatoren eingesetzt. Erst durch die technische Weiterentwicklung wurde  um 1900 oftmals diese Technologie  durch neuartige Wasserturbinen ersetzt. Das Wasserrad hat dabei eine tausende Jahre alte Geschichte und gehört zu den ersten menschlichen Maschinen. Um das Jahr 1800 war es als solches bereits schon technologisch perfektioniert und ausgereift. In den meisten Spinnmühlen ist das Wasserrad an den Giebelseiten oder den Traufseiten der Gebäude angebracht gewesen. Ob mit massiver oder provisorischer Umbauung. Bei wenigen Bauwerken befand sich das Wasserrad im Gebäudeinneren.  So unterteilt man in drei unterschiedliche Radtypen. Beim oberschlächtigen Mühlrad wird das Wasser auf Höhe höchsten Radkranzpunktes dem Rad zugeführt. Beim Mittelschlächtigen Mühlrad erfolgt dies auf höhe der Radnarbe. Der dritte Typ ist das Unterschlächtige Mühlrad, dabei steht das Rad im Wasserkanal und wird rein durch die Fließgeschwindigkeit des Stromes in eine Drehbewegung versetzt. Unterschiedlichste Schaufelarten sowie eine angepasste Wasserzuführung können dabei noch mehr Wirkungsgrad aus dem Energiesystem herausholen. Auch der Raddurchmesser  und die Radbreite sind entscheidend für die Kraftentwicklung an der Antriebswelle. Bei dutzenden angetriebenen Maschinen im Fabrikinneren musste diese Bauelemente genau angepasst sein. Bei einigen Spinnmühlen sind Raddurchmesser von... überliefert.

In der Architektur gibt es die bekannte Weisheit "Ein Gebäude ist wie ein Buch, man muss es nur lesen, um mehr es zu entdecken.". So wären die Spinnmühlen ein Buch, so wären sie wohl eine ganze Bibel und hätten sehr viel von ihre Geschichte und ihre Funktion zu erzählen. Aus ingenieurtechnischer Sicht betrachtet bilden diese Bauwerke die Basis unser heutigen Gesellschaften Strukturen und Innovationen. So zähmte der Mensch in den Spinnmühlen dieser Welt die Maschine zu seiner größten Schöpfung. So bedeutet dies übersetzt, dass in der Konstruktion einer Spinnmühle erstmals es dem Menschen gelungen ist, Produkte in einer Massenfertigung durch kontinuierliche Prozesse, unter der Ausnutzung aus Mechanik und Naturgewalt, herzustellen. Doch wie haben diese Bauwerke funktioniert, in einem Zeitalter vor dem elektrischen Strom und der Dampfkraft? 

Der überwiegende Teil der sächsischen Spinnmühlen funktionierten nach der Technologie der Wassermühlen. In diesem Typus wird die kinetische Energie eines Wasserstromes ausgenutzt, um durch eine Umwandlung in eine Rotationsenergie mehrere Maschinen anzutreiben. Nur wenige Exemplare wurden, meist aufgrund fehlender Infrastruktur, durch einen Pferdegöpel angetrieben. Bei einer Wassermühle lässt sich die Energienutzung in drei technologische Segmente einteilen. Dies umfasst die Wasserbauwerke, das innerbetriebliche Antriebssystem sowie die am Ende verarbeitende Maschine. Diese drei Segmente bauen aufeinander auf, sind aber ingenieurtechnisch getrennt zu betrachten und verlangen daher ein eigenen Know-How. Historisch ist zu beachten, dass für die Nutzung von Wasserflüßen in der Zeit der Spinnmühlen sogenannte Wasserrechte nötig waren. Da diese oftmals teuer und auch nicht immer zu erlangen waren, gingen viele Fabrikgründer den Weg und kauften alte Mahlmühlen an Flussläufen auf. Durch den Grundstückskauf erlangten das verbundene Wasserrecht. Die Mahlmühlen wurden in der Folge oftmals abgetragen und an deren Stelle eine neue Spinnfabrik errichtet. 

Wasserbauwerke

Das erste Teilsegment zur Energiegewinnung aus Wasserkraft umfasst die Wasserbauwerke. Darin enthalten sind alle Hoch- und Tiefbauelemente, welche benötigt werden, um einen Wasserstrom aus einer Quelle zu entgleiten, möglichst kontinuierlich einem Energietransformator zuzuführen und  am Ende dieses Prozess den genutzten Wasserstrom wieder der Quelle zuzuführen. Als Quelle dient in dein meisten Fällen ein Fluss oder Bachlauf. Gerade die Wasserläufen im Erzgebirge und Vogtland eignete sich als Bezugspunkt sehr gut. Man muss zudem beachten, dass im Jahre 1800 die Jahresmitteltemperatur 2°C unter dem heutigen Wert lag und damit die Winter ausdauernder ausgelegt und die Flüße damit wasserreicher waren, als man diese heute noch antrifft. Hier ist allerdings zu beobachten, dass beim Bau der sächsischen Spinnmühlen zu einen ständigen Konflikt. War der Wasserzufluss zu klein, dann reichte oftmals die kinetische Energie der Wasserkraft nicht aus. Große Flüsse hingegen hatten die Gefahr von schwimmenden Eisfeldern im Winter und damit einer natürlichen Zerstörungskraft gegenüber technischer Anlagen. 

Aus der Quelle heraus wird ein Wasserstrom durch ein Vorwerk abgeleitet und dem Wasserbauwerkssystem zugeführt. Ein Wehr regelt die Zulaufende bis zum kompletten Verschluss. Je nach örtlicher Begebenheit sind nun unterschiedliche Konstruktionen notwendig, um den Wasserstrom als Aufschlagswasser dem Wasserrad als Energietransformator zuzuführen. So wurde oftmals im Obergraben ein Staubecken oder mehrere Staustufen angelegt, um in wasserarmen Zeiten das Aufschlagswasser möglichst kontinuierlich zu halten. Auch wurden Stauwehre eingesetzt, um den Wasserstrom in seiner Menge und damit die spätere Raddrehzahl zu kontrollieren. Im Falle eines relativ kleinen Wasserzuflusses nutzt man die zusätzliche Energie der Schwerkraft und erzeugt auf eine Fallhöhe durch Höhendifferenzen zwischen dem Obergraben und dem Untergraben. Durch einen Graben oder einen aufgeständerten Kanal wird der Wasserstrom dem Mühlrad zugeführt. 

Das genutzte Wasser fließt nach der Wasserkraftmaschine über einen Untergraben wieder in die Wasserquelle zurück. Durch ein Stauwehr vor der Quelle kann der Wasserstand im Untergraben entsprechend der Witterung angepasst werden. 

 

Kraftmaschine + Kraftleitung

(Bild: "Zum 50jährigen Bestehen der Firma Gebr. Schüller, jetzt, Gebr. Schüller Actiengesellschaft", Chemnitz, 1908)
Spinnsaal mit vertikaler und horizontaler Kraftwelle sowie Kegelradgelenk in der Spinnmühle Schüller Gelenau um 1900 (Bild: "Zum 50jährigen Bestehen der Firma Gebr. Schüller", Chemnitz, 1908)

Die Drehbewegung des Wasserrades wird an eine Antriebswelle übergeben, welche in ein Zahnradgetriebe im Gebäudeinneren mündet. Dieses Getriebe steuert die Drehzahl im weiteren Prozess. Über Kegelräder oder Kammräder wird die Energie in eine vertikale Antriebswelle übertragen. Diese ging entweder direkt durch die Zwischendecken der Spinnerei oder befand sich in einem gesonderten Anbau am Gebäude. In den einzelnen Zwischenetagen zweigte sich über selbige Radarten einzelne horizontale Wellen ab, die sogenannten Königswellen. Sie waren für die Energieverteilung in der Produktionsebene zuständig. Über ein Transmissionsystem und Treibriemen sowie einzelne Wellen wurde die Drehbewegung der Königswelle auf die Verarbeitungsmaschinen weitergegeben. Alle Bauteile dieses System waren vorzugsweise aus Holz gefertigt, einzelne Beschläge sowie Lager konnten aus Metall ausgeführt sein.

Verarbeitungsmaschinen

Das letzte Segment dieses Technologieprozesses sind die Verarbeitungsmaschinen, welche die Rotationsenergie der vorgegangen Apparate ausnutzt, um darauf ein Produkt zu erzeugen. Innerhalb einer Baumwollspinnerei sind dies unterschiedlichste Maschinentypen für die verschiedenen stufenförmig angelegten Fertigungsschritte. Es soll nun aber der Blickpunkt auf die beiden wichtigsten Technologien zum Spinnen eines Gespinstes zu einem Baumwollgarn gerichtet werden. Dazu haben, entwickelt in England, die Waterframetechnologie und die Mulegarntechnologie durchgesetzt. Während die Waterframespinnmaschine eine neuartige eigene Technologie darstellte, knüpfte die Mulegarnspinnmaschine die Vorzüge aus Waterframe und der Spinnig Jenny, eine Handspinnmaschine, auf. Die Waterframemaschine ist technologisch eine Flügelspinnmaschine und benötigt zur Garnerzeugung sehr lange Baumwollfasern. Diese werden zwischen zwei Walzen gestreckt und durch einen drehenden Flügel eingedreht. Die Drehbewegung der Flügel wird durch die Transmission abgenommen. Das verdrehte Garn wird auf einer Spindel in der Folge aufgewickelt. Durch die langen Baumwollfasern als Ausgangspunkt konnte die Waterframemaschine allerdings nur eine Fadenfeinheit von .... erreichen.

Die technische Entwicklung brachte 1770 die Mulegarnspinnmaschine hervor. Für diese Maschine eigneten sich wiederrum sehr kurze Baumwollfasern, welche wirtschaftlicher zu beschaffen waren. Dem Walzenstreckwerk war hier ein Wagen vormontiert, auf welchen die Spindeln saßen. Bis zu mehreren hundert pro Maschine. 

Fertigungsrelevante Konstruktionen

Bild:Unbekannt; Deutsche Fotothek; CC-BY-SA 4.0
Spinnmühle Greding in Hennersdorf, ideal gelegen im Tal der Zschopau (Bild: Unbekannt; Deutsche Fotothek; CC-BY-SA 4.0)

Neben den technologischen Elementen der Krafterzeugung, -übertragung und -verarbeitung gehören auch die Rahmenbedingung der Maschinenräume für eine optimale Produktqualität. 
Wichtig bei der Verarbeitung von Baumwolle ist eine angepasste rel. Luftfeuchtigkeit. Im Idealfall beträgt diese 70-80%, je nach Verarbeitungsprozess. Die Raumtemperatur sollte die 25°C-Marke dabei nicht überschreiten, da sonst der feuerempfindliche Baumwollfaden in der Maschine sich erhitzen könnte und damit Feuer fangen kann.

Da um das Jahr 1800 noch keine technologischen Möglichkeiten vorhanden waren, um diese Begebenheiten konstant zu erzeugen, war man bei der Standortwahl der Spinnfabrik an natürliche Bedingungen angewiesen. So siedelten sich viele Spinnmühlen, besonders in der dritten Phase mit hohen Produktionskapazitäten in den tiefen Flusstälern des Erzgebirges an. Durch die breiten Flussläufe und steilen Hängen waren diese Täler von Natur aus mit einer höheren Luftfeuchtigkeit versehen. Die besondere Gefahr durch Brände konnte man durch diese Maßnahme aber nur bedingt entgegenwirken, da die Raumluft in den Maschinensäle sehr stark angereichert war durch Baumwollfasern. Hinzu kommt ein Beleuchtungssystem, welches im Zeitalter vor der Elektronik noch durch Petroleumlampen gelöst wurde. Die gefährliche Mischung bracht zudem ein ständiges Ölgemisch im Maschinenumfeld, da die Holzmaschinen und die Antriebsmechanik ein regelmäßiges Ölbett benötigten. In diesen Gemisch auch hochgefährlichen Faktoren reichte ein kleiner Funke, um ein Inferno auszulösen. So am es in sehr vielen Spinnmühlen in der Folge ihrer Nutzung zu Bränden. Einige wurden dabei unwiederbringlich zerstört und abgerissen. Durch massive Treppenhäuser und Kellergewölbe sowie metallbeschlagene Zwischentüren versuchte man einen Brand einzudämmen und damit die Gebäudesubstanz vor dem Totalverlust zu retten. 

Eine besondere Technologie wurde in der Spinnmühle Schlettau III von Lohse & Naumann eingesetzt. Hier wurde durch ein kompliziertes Seilzugsystem im Gebäude ein Fahrstuhl als Verbindung der Etagen eingesetzt. Ein sehr schönes Beispiel, um aufzuzeigen, welche technische Vorreiterrolle in den Gebäuden inne steckte. 

Fabrikkolonie & Logistik

Eine markante Eigenschaft der Spinnmühlenära ist die Lage vieler Bauwerke dieser Gattung. Der Mühlenantrieb und die später hohe Spindelanzahl setzen eine hohe Wasserenergie an den Standort vorraus. So kommt es, dass gerade in den 1830er Jahren neue große Spinnereien in eher abgeschiedenen Flusstälern des Erzgebriges errichtet werden. Markante Flussläufe oder bestehende Wasserrechte fallen somit mehr ins Gewicht, als die Verfügbarkeit von Arbeitskräfte oder ausgebaute Straßen. So kommt es, dass gerade die großen Spinnereien der dritten Phase ein fast autarkes Fabriksystem entwickeln müssen. Es entsteht so ein Leben von Arbeiter und Fabrikant um die eigentliche Fabrik herum. Die ersten deutschen Industriekolonien entstehen in den tiefen Tälern. Entsprechende Strukturen sind heute noch an den ehemaligen Spinnereien in Himmelmühle, Harthau I und Hennersdorf zu erkennen. Ein besonderen Teil nimmt dabei das Leben der Arbeiter ein. Da die nächsten größeren Städte oftmals mehrere Stunden Fußmarsch entfernt liegen, müssen die angeworbenen Arbeiter in nahegelegenen Dörfern oder direkt in Wohngebäuden auf dem Fabrikareal wohnen. Auch die Kinderarbeit von einem Anteil bis zu 50% der Beschäftigten zeigt sich in der Gebäudestruktur. Markant sind extra errichtete Fabrikschulen, die ersten in Deutschland. Durch diese Schulen soll den arbeitenden Minderjähirgen eine Grundbildung ermöglichst werden, desweiteren können sie auch Werbemittel für neue Arbeitskräfte angesehen werden. Zur Versorgung kommen Gärten und Brunnen, sowie kleine Viehställe. Zu Wohn- und Schulgebäude kommen Verwaltungs- und Lagergebäude, auch der Fabrikant selbst wohnt direkt an der Fabrik oder im näheren Umfeld, meist in Wohngebäuden mit entsprechender Repräsentation. Diese Strukturen sind das Abbild einer Idealstruktur, nicht alle Spinnereien wiesen dieses Umfeld in der vollen Breite auf. So bauten einige auch auf bestehende Strukturen der anliegenden Gemeinde auf.

Eine Besonderheit jener Zeit ist die Logistik der Spinnmühlen, welche aus heutiger Sicht doch Bewunderung hervorrufen kann. Erst in den 1850er Jahren werden die ersten Spinnmühlen an das damals hochmoderne Eisenbahnnetz angeschlossen und die entgültige Durchdringung der Erzgebirgstäler mit einer Industrieeisenbahn dauerte ortsweise sogar bis zur Jahrhundertwende an. So ist die Spinnmühlenära noch von Transportmitteln ohne mechanischen Dampfantrieb gepägt. Dennoch erfolgte der größere Teil des Zu- und Abtransportes von Ware, sowie Lebensmitteln und anderen Güttern über den Straßenweg mit Pferdekarren. Einige wenige Fabriken wurden direkt an bekannten Handelswegen errichten, doch bei der Großzahl sind die Straßen- und Wegeverhältnisse eher  sehr schlecht. Umso mehr erstaunt, dass bereits beim Bau der Spinnereien die Baumaterialien über diese Transportwege transportiert wurden. Auch als die ersten Fabriken ab den 1830er Jahren mit Dampfmaschinen ausgerüstet wurden, musste die entsprechende Kphle für den Betrieb mit Handkarren oder Pferdegespannen angeliefert werden. Eine Alternative zum Landtransport bildete gerade an Zschopau, Mulde und Flöha der Transprt zu Wasser. Mit Flößen konnte die Waren direkt und meist unkomplizierter angeschifft werden. Fertiges Garn gelangte so auf den direkten Weg Flußabwärts zu Handelsorten oder -straßen. So gab es auch Spinnereien, in Amerika bei Penig ist es überliefert, welche einzig durch den Wasserweg logistisch zu erreichen waren. Doch der Eisgang und Unwetter im Winter sowie Trockenheit im Sommer stellten für diesen Weg natürlich eine unberechenbare Gefahr da. So muss davon ausgegangen werden, dass so manche Spinnerei auch schon mal für einen längeren Zeitraum von der Außenwelt abgeschnitten sein konnte, was natürlich auch deren Wirtschaftlichkeit stark beeinträchtigte.

Besonders diese mühsamen Logistikwege sind Gründe gewesen, warum es die Fabriken mit der stärkeren Verbreitung der Dampfmaschine zurück in die Städte und Ballungszentren zog. Der wirtschaftliche Ertrag und damit der Erfolg hing in der Phase der wachsenden Konkurrenz auch besonders von der Lage ab. Dennoch zeigen diese Methoden auch, welche Hürden die Unternehmer nehmen mussten, um eine Industrietechnologie zu etablieren. In diesen ersten Prototypen entstehen die Grundlagen für unsere heutige moderne Industrielogistik. Von der amerikanischen Baumwolle auf dem Pferdewagen im Jahre 1836 bis zur Autotür "Just-in-Sequenz" im Jahre 2018.


Teile uns:

Ehrenamt gefördert durch:   n i c h t s

Industrie.Kultur.Ost 3.0 BETA

Diese Seite kann noch Fehler enthalten!

© ZWICKAU 2022