Es gibt wohl kaum eine andere Bauwerksgattung, welche die Idee des neuen Menschen im Sozialismus besser verdeulicht, als das Konzept der Kulturhäuser. Dabei ist das Kulturhaus keine Erfindung der DDR oder anderer sozialistischen Staaten. Die Ursprungsidee eines Gesellschaftshauses für alle Bevölkerungsschichten liegt bereits im Deutschen Kaiserreich verwurzelt. So sind es in jener Zeit besonders wohlhabende Stadtbezirke und große Industrieunternehmen, welche sich spezielle Gebäude zur kulturellen Unterhaltung der Bürger/Belegschaft leisten. Das Kulturhaus der Leuna-Werke zeugt heute noch von dieser frühen Entwicklungsstufe und zeigt auch einen stilistischen Ursprung dieser Bauwerke. Die junge DDR entwickelt diesen Gebäudetypus weiter. Zum einen aus der eigenen regionalen Historie heraus motiviert, aber sehr stark wirkt der Vorbildscharakter der Sowjetunion, wo bereits in den 1940er Jahren mehrere Kulturhäuser von gigantischen Ausmaß entstanden.
Der Proletarier soll sich neben seiner Arbeit im volkseigenen Betrieb auch kulturell weiterbilden können. So die offizielle Doktrin hinter den Kulturhäuser. Doch auf diese Art weitete der Betrieb und damit auch der Staat seine Macht noch tiefer in das Leben der Menschen aus. Eine sozialistische Erziehung sollte bestenfalls 24 Stunden am Tag erfolgen, Kulturhäuser als Gemeinschaftszentren machen dies möglich. Ab dem Jahr 1950 beginnt der große Kulturhausbau in der DDR. Zu Beginn sind es noch große prestigeträchtige Betriebe, welche eine derartige Einrichtung erhalten, später nimmt die Flächendichte zu und auch viele landwirtschaftliche Stützpunkte in ländlichen Regionen werden mit Kulturgebäuden ausgestattet, schließlich war der Bauer auch ein Teil des "Arbeiter- und Bauernstaates".
Eine Vorreiterrolle im frühen Kulturhausbau nimmt der Kulturpalast der Maxhütte in Unterwellenborn ein. Dieser wiederrum am Schauspielhaus Hellerau orientierte Bau, beeindruckt durch seine Größe, seinen übermäßigen Prunk und seine modernen Einrichtungen, in einer Zeit, wo viele Menschen noch in zerstörten Häusern wohnen mussten. Die Architektur und Struktur von Unterwellenborn wird in der Folge häufig kopiert und bestimmte Stilmittel findet man an allen Kulturhäusern von der Ostsee bis ins Erzgebirge wieder. Mit der architektonischen Entwicklung verändert sich auch die Gestalt der Gebäude. In den 1960er Jahren löst man sich, unter Vorgabe der Sowjetunion, vom Neoklassizismus und nimmt sich der internationalen Moderne an. In der Folge sind es nicht nur Betriebe und LPG's, welche neue Kulturhäuser umsetzen, auch Städte und Gemeinden erbauen Stadthallen und Klubhäuser. Der Kulturpalast Dresden oder die Stadthalle Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) sind ein Beispiel für derartige kommunale Projekte.
Mit der deutschen Wiedervereinigung werden die Kulturhäuser auf sich selbst gestellt. Die Treuhand-Anstalt löst in fast allen Fällen das Kulturhaus aus dem Bestand der Betriebe heraus. Für einen ökonomischen Fortbestand der Unternehmen spielte Kultur und Unterhaltung der Belegschaft keine Rolle mehr. Viele Kulturhäuser werden schlichtweg vergessen und nicht mehr beachtet. In wenigen Fällen springt die Gemeinde bei ehemaligen Betriebskulturhäusern als Betreiber ein, ab und an sind es auch Vereine, welche das Gebäude am Leben erhalten. Nicht zuletzt gibt es oft auch tollkühne Visionen von Investoren, welche aber nur in den wenigsten auch Realität werden. So stellt sich bei unzähligen verfallenen Kulturhäusern auch heute noch die Frage, wie gehen wir mit diesem Erbe um? Welchen Wert haben solche Gebäude in einer Zeit von Netflix und RTL?
Aufnahmedatum: 2012-2018
Fotograf: Sebastian Dämmler