BAUJAHR: 1904/05
ANGESTELLTE: ca. 800
LIQUIDATION: 1991
DENKMALSCHUTZ: Ja
1868 gründet Hermann Wünsche in Ebersbach nahe der Grenze zu Tschechien seine erste Handweberei, 1870/72 wird darauf die Stammfabrik nahe des Bahnhofes im Ort errichtet. Die ersten Produktionsfelder bestanden in der mechanischen Weberei, Färberei und Appretur von Stoffen. 1873 gehen an diesem Standort die ersten 34 Webstühle in Betrieb. Wünsche war mit der Fertigung von bunt gewebten Kleiderstoffen der erste Textilfabrikant der Oberlausitz, der dieses Erzeugnis anbieten konnte, es ist ein markttechnischer Vorsprung, welcher dem Unternehmen in den Folgejahren zu enormen Wachstum verhilft. Bis 1885 erwirbt Wünsche zwei weitere Textilfabriken in Schirgiswalde und Ebersbach und steigert die Arbeiterzahl auf 1649, zudem unterhält er etwa 1500 Webstühlen. Die Textilfabriken von Hermann Wünsche sind in dieser Zeit das größte Textilunternehmen in Sachsen. Der Erfolg ist enorm und die Stoffe von Wünsche gehen aus der Oberlausitz in die ganze Welt.
1889 stirbt Firmengründer Hermann Wünsche und das Unternehmen wird unter Führung seines Sohnes Edwin Wünsche zu einer Aktiengesellschaft mit 3 mio. Mark Kapital umgewandelt. Fortan trugen die Werke den Namen "Hermann Wünsche's Erben AG". Da die Produktionskapazitäten in der Zeit der Jahrhundertwende an die Grenze gelangen, ist ein Neubau in Ebersbach notwendig, so errichtet man 1904/05 eine Baumwoll- und Vigognespinnerei im ehemaligen Bleichengrund am Stadtrand. Die neue Fabrik ist in ihren Ausmaßen für ihre Zeit beeindruckend und in Betonskelettbauweise mit Ziegelausfachung hochmodern ausgeführt. 1910 zählt das Unternehmen 2439 Arbeitnehmer, 40.000 Spindeln und 2200 Webstühle, diese sind aufgeteilt auf 4 Werke in Ebersbach und je eins in Schirgiswalde und Eibau.
Durch die wirtschaftliche Rezession Anfang der 1920er Jahre stark erfasst, wird das Unternehmen 1924 an die "Vereinigte Deutsche Textilwerke Zittau AG" verpachtet. Es folgt aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage die Zusammenlegung aller Betriebsteile zur "Vereinigte Textilwerke Wagner & Moral AG", doch auch diese Fusion hat nicht lange Bestand. 1932 kommen die Geschäftstätigkeiten zum erliegen. Die ehemalige Firma "Wünsches Erben" wird vom Land Sachsen übernommen. Nach wirtschaftlicher Sanierung gelang als "Weberei & Spinnerei AG Ebersbach" im Jahr 1934 der Neuanfang. Im Unternehmen bleibt einzig der Neubau von 1904/05 erhalten. 1939 erfolgt eine Modernierung des Maschinenparkes bis 1942 in Folge der kriegstechnischen Rüstungsproduktion die Junkerswerke Dessau sich in die Räumlichkeiten der Spinnerei einmieten. Die Spinnmaschinen werden aus den gigantischen Hallen ausgelagert und nun fertigen hier unter anderen 1000 Zwangsarbeiter bis 1945 Flugzeugteile für die deutsche Rüstung.
Auf der Grundlage der Produktion von Kriegsmaterial folgt 1946 die sofortige Enteignung des Unternehmens und die Neugründung als "VEB Spinnerei und Weberei Ebersbach". 1969 kommt mit dem Zusammenschluss mit zwei weiteren Betrieben es zur Gründung des "VEB Buntspecht Ebersbach". Mit der Formierung der Kombinate folgt die Eingliederung in den Großbetrieb "VEB Lautex", ein Zusammenschluss der meisten Textilbetriebe in der Oberlausitz. Als einer der größten Betriebe erhält das Werk in Ebersbach ständige Investitionen in neue Maschinen, ein Novum in der DDR-Textilindustrie. 1977 wird so die Jeansgewebeproduktion am Standort aufgenommen. Mit den Veränderungen zum Jahr 1990 konnte die Produktion in den alten ehrenwerten Gebäuden nicht mehr gehalten werden. Im Februar 1991 werden die Spinnmaschinen für immer abgeschalten, nach 86 Jahren wurde es plötzlich wieder ganz still in den Hallen. 1993 pachtete die Firma Colour-Denim die Fabrikanlage und führte für ein Jahr die Jeansgewebestoffproduktion fort. Am Ende waren es noch 80 Arbeiter in der Produktion. Kaum waren die letzten Maschinen verstummt wurden sie auch schon verpackt und nach Asien weiterverkauft, es folgte die Ausschlachtung des zum Tode erklärten Kolosses. Die alte Stammfirma wird 1996 abgerissen, das Hauptwerk wartet seither auf selbiges ungewisse Schicksal.
Quelle: "Salonblatt"; 5(1910), S. 243-246
"Spindel und Schützen"; 12(1965), 20
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